Transitionen. Filmische Dimensionen des Übergangs

Transitionen. Filmische Dimensionen des Übergangs

Veranstalter
Dr. des. Tatiana Astafeva, PD Dr. Rasmus Greiner, Prof. Dr. Winfried Pauleit, Christine Rüffert (Universität Bremen) & Holger Tepe (CITY 46 / Kommunalkino Bremen)
Veranstaltungsort
CITY 46 / Kommunalkino Bremen
PLZ
28195
Ort
Bremen
Land
Deutschland
Findet statt
In Präsenz
Vom - Bis
22.05.2024 - 25.05.2024
Deadline
28.10.2023
Von
Tatiana Astafeva

Transitionen. Filmische Dimensionen des Übergangs

Transitionen betreffen Phänomene der Filmästhetik, Wendepunkte der Geschichte und Filmgeschichte, sowie Übergänge in der Identitätsbildung – von Protagonist:innen des Films, von Zuschauer:innen und nicht zuletzt von Film und Kino selbst. Das 28. Internationale Bremer Symposium zum Film nimmt diese und andere Dimensionen der Transition in den Fokus und lädt alle Interessierten ein, bis 28. Oktober 2023 ein Abstract mit einem Vorschlag für einen Vortrag einzureichen.

Transitions: Cinematic Dimensions of In-Between

Transitions affect areas such as film aesthetics, history and film history, as well as the process of identity formation – of film protagonists, viewers, and not least of cinema itself. The 28th International Bremen Film Symposium focuses on these and other dimensions of transition and invites to submit an abstract for a presentation by October 28, 2023.

Transitionen. Filmische Dimensionen des Übergangs

Filme und Transitionen sind auf ganz vielfältige Weisen miteinander verknüpft: Sei es als Übergang von einer Welt in eine andere, oder auch als „die Existenz zweier Welten, die durch die Schwelle [der Leinwand] ebenso getrennt und verbunden sind“ (Elsaesser, Hagener 2007: 50). Transitionen betreffen Phänomene der Filmästhetik, Wendepunkte der Geschichte und Filmgeschichte, sowie Übergänge in der Identitätsbildung – von Protagonist:innen des Films, von Zuschauer:innen und nicht zuletzt von Film und Kino selbst.

Als filmästhetische Transitionen lassen sich bestimmte Formen der Filmmontage fassen, die Übergänge innerhalb eines Films maskieren oder auch betonen, wie etwa die Überblendung oder der Match-Cut. So hat Karsten Witte die besondere Besessenheit der NS-Filme mit der ästhetischen Strategie der Überblendung im Kontext nationalsozialistischer Propaganda herausgearbeitet (Witte 1995: 242). Zu den filmästhetischen Transitionen zählen aber auch
Akusmatisierung und Desakusmatisierung, mit denen Michel Chion einerseits spezifische Gestaltungswechsel der Bildtonverhältnisse beschreibt, und andererseits die Entzauberung von omnipräsenten Filmfiguren (Chion 2012: 198–199). Auch das Westerngenre beschäftigt sich primär mit Transitionen, allerdings in Form von radikalen Überschreitungen räumlicher, kultureller und mythologischer Grenzen, die von langen Einstellungen von amerikanischen Landschaften geprägt sind und im Konzept der frontier kulminieren.

Filmische Darstellungen historischer Transitionen (die Nachkriegs- und Wendezeit in Deutschland, der Zusammenbruch der UdSSR, der Übergang von lateinamerikanischen Militärdiktaturen in die Demokratie usw.) reflektieren wiederum politische, gesellschaftliche und soziale Differenzverhältnisse. Die flüchtige Zeit wird selbst zum Gegenstand, indem Filme versuchen, sie darzustellen, erfahrbar zu machen und zu „versiegeln“ (vgl. Tarkowsky 2021). Werke wie Roberto Rossellinis Germania anno zero (1947) überschreiten auf diese Weise Grenzen – kulturelle, nationale, sprachliche, sie wechseln von einem politischen System in ein anderes, und loten ambivalente Kodierungen politischer und kultureller Kontinuitäten oder Zäsuren aus. Auch technikgeschichtliche Prozesse wie die Einführung des Tonfilms oder des Farbfilms und mediale Umbrüche wie die Digitalisierung können als Transitionsphänomene
untersucht werden.

Filme reflektieren überdies liminale Zustände des Dazwischen-Seins wie Traum, Halluzination und Imagination. Sie versuchen dabei fließende Zuschreibungen von Identität und Differenz audiovisuell erfahrbar zu machen. Dies betrifft insbesondere Themenfelder wie Gender, Class, Race, Nation, Religion etc. Dokumentarische Langzeitstudien und spezifische Genres wie Coming-of-Age-Filme oder Biopics fokussieren sich auf die Erfassung diesbezüglicher Veränderungen. Gleichzeitig wird hierbei auch die Bedeutung von Begehrensstrukturen als treibende Kräfte filmischer Transitionen herausgestellt. Im neueren Festivalkino konfrontieren autobiografisch motivierte Dokumentationen wie Touch Me Not (Adina Pintilie 2018) oder spielerische Essayformate wie Paul B. Preciados Orlando (2023) Kategorien geschlechtlicher Zuschreibungen und sexuellen Begehrens, indem sie z.B. sich etablierenden Vorstellungen von binärer Transnormativität entgegentreten. Neben Impulsen für aktuelle Diskurse rückt hierbei auch der Einfluss von Filmen auf das Alltagswissen in den Blick (vgl. Raczuhn 2018).

Das 28. Internationale Bremer Symposium zum Film nimmt diese und andere filmische Dimensionen des Übergangs in den Fokus. Erwünscht sind Beiträge im Bereich der folgenden Schwerpunkte sowie weitere Themen im Schnittfeld von Film und Transitionen:

- Filmtheoretische und -philosophische Konzeptualisierungen von Film und Transition;
- (Film-)Ästhetiken des Übergangs: Überblendung, Montage, Akusmatisierung und Desakusmatisierung, digitale Effekte des Übergangs etc.;
- Zustände des Dazwischen-Seins: Traum, Imagination, Halluzination;
- Transitionen von Identität: Gender, Class, Race, Nation, Religion etc.;
- Historisch-politische Transitionen im Film: Nachkriegszeit 1945, deutsche Wende 1989, Zusammenbruch der UdSSR, Lateinamerika nach den Militärdiktaturen etc.;
- Genre-Transitionen: Genre-Merkmale, hybride Konstellationen, Transformation von Genres;
- Technikgeschichtliche Transitionsprozesse: Tonfilm, Farbfilm, Digitalisierung sowohl von Produktion wie Abspielformat, kritische Reflexion von sich wandelnden Dispositiven des Kinos.

Wenn Sie am 28. Internationalen Bremer Symposium zum Film mit einem Beitrag teilnehmen möchten, dann übersenden Sie uns bis zum 28. Oktober 2023 ein Abstract (2 000 Zeichen) und eine Kurzbiografie in deutscher oder englischer Sprache an film-history@uni-bremen.de. Die Konferenz setzt sich aus Vorträgen, Diskussionen und Filmvorführungen zusammen. Sie wird vom 22. bis 25. Mai 2024 im Kommunalkino Bremen / CITY 46 stattfinden.

Literaturangaben
Michel Chion. Audio-Vision. Ton und Bild im Kino. Berlin: J.U. Lensing, 2012.
Thomas Elsaesser, Malte Hagener. Filmtheorie zur Einführung. Hamburg: Junius, 2007.
Annette Raczuhn. Trans_Gender im Film. Zur Entstehung von Alltagswissen über Transsex_ in der filmisch-narrativen Inszenierung. Bielefeld: transcript, 2018.
Andrej Tarkowski. Die versiegelte Zeit. Gedanken zur Kunst, zur Ästhetik und Poetik des Films. Berlin: Alexander Verlag, 2021.
Karsten Witte. Lachende Erben, Toller Tag. Filmkomödie im Dritten Reich. Berlin: Vorwerk 8, 1995.

Transitions: Cinematic Dimensions of In-Between

Films and transitions are linked in different ways: whether it is a shift from one world to another, or a movement between two worlds that are simultaneously connected and separated by the screen (Elsaesser, Hagener 2007: 50). Transitions affect such areas as film aesthetics, history and film history, as well as the process of identity formation – of film protagonists, viewers, and not least of cinema itself.

Certain forms of film montage mask or emphasize transitions in a film, such as dissolve, fadein, or match cut. Karsten Witte, for example, analyzed the particular obsession of films made during the Nazi era with the editing technique of dissolve in the context of propaganda (Witte 1995: 242). Aesthetic transitions in film also include acousmatization and de-acousmatization, specific changes in image/sound interrelations on the one hand, and the disenchantment of omnipresent film characters on the other (Chion 1999: 17 ff). The Western is also a genre primarily concerned with transitions, but in the form of radical transgressions of spatial, cultural, and mythological boundaries that culminate in the concept of the frontier and in long shots of American landscapes.

Audiovisual representations of historical shifts (e.g., the post-war and Wende periods in Germany, the collapse of the USSR, the transition from Latin American military dictatorships to democracy) reflect political and social differences. Cinema can explore such fleeting times, “capture” them (cf. Tarkovskij 1991), and make them experienceable. Films like Roberto Rossellini’s Germania anno zero (1947) cross borders – cultural, national, linguistic – as they switch from one political system to another and sound out ambivalent codifications of historical continuities or ruptures. Transitional phenomena in the history of technology, such as sound, color film, or digitalization, can be studied in the same way.

Films reflect liminal states of in-betweenness – dream, hallucination, or imagination. They also attempt to make the fluidity of identity and difference audio-visually experienceable. This particularly concerns issues of gender, class, race, nation, or religion. Long-term documentaries and specific genres (e.g., coming-of-age films or biopics) focus on capturing such transformations. Moreover, desire as a driving force behind cinematic transitions is an essential topic in this regard. In recent festival cinema, autobiographically motivated documentaries such as Touch Me Not (Adina Pintilie 2018) or playful essay formats such as Paul B. Preciados Orlando (2023) confront categories of gender attribution and sexual desire, for example, by countering established notions of binary transnormativity. In addition to impulses for current discussions, the influence of films on everyday knowledge comes into view (cf. Raczuhn 2018).

The 28th International Bremen Film Symposium focuses on these cinematic dimensions of transitional states. We welcome contributions that explore issues at the intersection of film and in-betweenness, such as:

• Film theoretical and philosophical conceptualizations of film and transition;
• (Film) aesthetics of transition: dissolve, montage, acousmatization, deacousmatization, digital effects of transition, etc.;
• States of in-betweenness: dream, imagination, hallucination;
• Identity transitions: gender, class, race, nation, religion, etc.;
• Historical and political transitions in film: the post-war and Wende periods in Germany, the collapse of the USSR, Latin America after military dictatorships, etc.;
• Genre transitions: genre characteristics, hybrid constellations, transformation of genres;
• Transitional processes in the history of technology: sound film, color film, digitalization, critical reflection on the changing dispositifs of cinema.

If you would like to participate in the 28th International Bremen Film Symposium with a presentation, please send us an abstract (2 000 characters) and a short biography in German or English to film-history@uni-bremen.de by October 28, 2023. The conference consists of lectures, film screenings, and discussions and will take place from May 22 to 25, 2024 at CITY 46 / Community Cinema Bremen.

Literature
Michel Chion. The Voice in Cinema. New York: Columbia University Press, 1999.
Thomas Elsaesser, Malte Hagener. Filmtheorie zur Einführung. Hamburg: Junius, 2007.
Annette Raczuhn. Trans_Gender im Film. Zur Entstehung von Alltagswissen über Transsex_ in der filmisch-narrativen Inszenierung. Bielefeld: transcript, 2018.
Andrej Tarkovskij. Sculpting in Time: Reflections on the Cinema. Austin: University of Texas Press, 1991.
Karsten Witte. Lachende Erben, Toller Tag. Filmkomödie im Dritten Reich. Berlin: Vorwerk 8, 1995.

Kontakt

Tatiana Astafeva, Rasmus Greiner: film-history@uni-bremen.de

https://www.uni-bremen.de/film/filmkultur/filmsymposium
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Land Veranstaltung
Sprach(en) der Veranstaltung
Englisch, Deutsch
Sprache der Ankündigung